Grabenstätt – Seit fast 40 Jahren gibt es das idyllisch gelegene Altenheim Marienstift Marwang unter der Trägerschaft des Vereins für Krankenpflege und Altenbetreuung Grabenstätt (seit 1983, zuvor wirkten dort über 60 Jahre lang die Niederbronner Schwestern). Das kleine, familiäre Seniorenheim mit seinen aktuell fünf Bewohnern sucht landauf, landab seinesgleichen. Doch diese Einzigartigkeit ist es auch, die dem Marienstift und dessen ehrenamtlichem Trägerverein zum Verhängnis wird. Im Herbst 2023 wird das Altenheim geschlossen.
»Da wir mit unserer Einrichtung in kein gesetzlich vorgegebenes Schema passen, durften wir unsere Heimkosten seit 21 Jahren nicht erhöhen und Preiserhöhungen, wie sie nun laufend erfolgen, nicht auf die Bewohner umlegen«, erläuterte die Vorsitzende Uschi Erl in der Jahreshauptversammlung in der Schlossökonomie das finanzielle Dilemma, das über viele Jahre nur mit Hilfe von Spenden gemeistert werden konnte. Die Rücklagen hätten sich in den letzten drei Jahren um rund 80.000 Euro verringert, betonte Kassier Hannes Biller und warnte: »Wenn wir so weiter machen, sind wir spätestens in drei Jahren pleite«. Aktuell belaufen sich die Rücklagen noch auf 61.000 Euro. Angesichts dieser ernüchternden Zahlen und Prognosen entschieden die Mitglieder schweren Herzens mit 21:1 Stimmen, die Trägerschaft für das Altenheim im Herbst 2023 zu beenden.
Besonders Irene Riede, Ehrenvorsitzende und Mitbegründerin des Altenheims, ging dies sehr nahe. Sie hatte vor der Abstimmung noch angefragt, warum man nicht die drei leer stehenden Zimmer belege, um mehr Einnahmen zu generieren. Erl erklärte dies unter anderem damit, dass Heimleiterin Juliane Ehrenleitner erkrankt sei. Doch selbst mit einer Vollbelegung (acht Bewohner) wäre ein wirtschaftlicher Betrieb nach Lage der Dinge nicht zu gewährleisten.
Zum ungeklärten Status des Marienstifts muss man Folgendes wissen: Es ist weder ein Pflegeheim, in dem die Bewohner rundum versorgt und nach Bedarf gepflegt werden, noch wird dort ambulant betreutes Wohnen angeboten. »Wir können bei uns im Haus keine Pflegebedürftigen betreuen und Bewohner, die eine Pflegestufe erhalten, müssen leider ausziehen«, so Erl. Auch das einzig verbliebene mögliche Modell »Betreutes Wohnen«, das auch seitens des Landkreises Traunstein und des Bezirks Oberbayern empfohlen worden war, erwies sich letztendlich als nicht umsetzbar. Hier würden die Bewohner Miete für ihr Zimmer und die Nebenkosten zahlen und müssten dann zusätzliche Dienstleistungen wie Zimmerreinigung, Wäschewaschen, Essen und Pflege von einem externen Dienstleister kostenpflichtig hinzubuchen. Erl zufolge würden sich die Abläufe im Heim damit vollkommen verändern. Zudem würde man für »Betreutes Wohnen« eine zweite Fluchttreppe benötigen, was bei einem unter Denkmalschutz stehenden Haus baulich nicht ohne weiteres umsetzbar sei. Selbiges gelte für den damit einhergehenden Umbau des Treppenhauses und den Einbau eines Aufzuges. Die aufwendigen Umbauarbeiten würden nach Einschätzung des Architekten Henry Scholtysik 528.000 Euro kosten, so Erl.
Hinzu kämen die Kosten für eine neue Heizung, deren Wärmepumpe nach Angaben des 2. Vorsitzenden Herbert Hofmann nicht mehr gut funktioniere, den Umbau der Küche und die Dachreparatur. »Dieses Geld haben wir nicht«, so die Vorsitzende. Während der Baumaßnahmen müssten alle Bewohner ausziehen. Zudem habe man erfahren, dass sich »Betreutes Wohnen« erst ab zehn bis zwölf Bewohnern rechne. Zuschüsse gebe es nur, wenn eine gewisse Wirtschaftlichkeit gegeben sei. Abgesehen davon habe man das Haus nur in Erbpacht von der Diözese. »Es gehört uns nicht«, erinnerte Erl.
»Keinem geht es gut nach so einer Entscheidung, aber sie war aus meiner Sicht unausweichlich, so konnte es nicht weitergehen«, betonte Bürgermeister Gerhard Wirnshofer. Man könne nicht immer von einer so hohen Spendenbereitschaft für das Marienstift wie in der Vergangenheit ausgehen und man wisse auch nicht, wie der unverzichtbare ehrenamtliche Helferkreis künftig aussehe. Das verbleibende Jahr müsse man nun dazu nutzen, das Ganze »finanziell sauber abzuwickeln«, appellierte Wirnshofer.
Bewohner sind bereits informiert
»Wir haben nun noch die Möglichkeit, unseren Bewohnern bei der Suche nach einer neuen Unterkunft behilflich zu sein und sie zu begleiten«, betonte Erl. Sie habe die Bewohner bereits informiert, dass es nicht gut aussehe mit dem Weiterbestand des Marienstiftes. Diese hätten es zwar verstanden, seien aber auch sehr traurig gewesen. »Wir sind mindestens genauso traurig, denn damit geht eine lange Geschichte zu Ende, die mit so viel Herzblut und ehrenamtlichem Engagement aufgebaut und begleitet wurde«, resümierte Erl und bedankte sich besonders bei der »Mutter des Marienstifts«, Irene Riede. Mit dem Verein werde es aber weitergehen, da dieser noch andere Tätigkeitsfelder habe, wie den Besuchsdienst für alte und kranke Leute, die Betreuung behinderter Gemeindebürger und den Essensdienst für Leute, die sich daheim nicht mehr selbst versorgen können.
In ihrem Rechenschaftsbericht 2021 betonte Erl, dass zumeist sieben Bewohner im Haus gewohnt hätten. Bis auf eine Bewohnerin hätten sich alle mit Corona infiziert – zum Glück ohne schwerwiegende Verläufe. Masken und Coronatests spielten stets eine sehr wichtige Rolle. An die Bewohner seien laut Erl Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke vergeben worden und man habe zwei kleine Ausflüge unternommen. Reparaturen gab es nur kleinere. Der Mitgliederstand ist beständig rückläufig. Ende 2021 lag er bei rund 120 Personen.
Ein besonderer Dank galt Heimleiterin Juliane Ehrenleitner und ihrem Team, allen voran Branka Lapper, die für die Bewohner vor allem in der Corona-Zeit alle Besorgungen erledigt hat und immer da war, wenn Not am Mann war, sowie der im Haus wohnenden Familie Köck für die wichtige Nachtrufbereitschaft. Unverzichtbar ist nach wie vor der ehrenamtliche Helferkreis. Dazu gehören auch die Essen-auf-Rädern-Ausfahrer Sepp Lindlacher und Job Wülfing. Sie holen im Senioren- und Pflegeheim in der Au auch das Essen für die Marienstift-Bewohner ab. Erl bedankte sich bei ihren Vorstandskollegen, allen Mitgliedern und den Gönnern, die im Vorjahr fast 5000 Euro gespendet hatten. Die Frauengemeinschaft Grabenstätt spendete nun 250 Euro. Es war der Erlös vom Kräuterbuschen-Verkauf an Maria Himmelfahrt.
Offen ist, was ab Herbst 2023 nach dem Auslaufen des noch zu kündigenden Erbpachtvertrages aus dem rund 200 Jahre alten und denkmalgeschützten Marienstift-Gebäude wird. Hier sind auch die Benefiziumstiftung Marwang und die Erzdiözese in der Verantwortung. mmü